Glarner Nachrichten, 4.01.2022
Alina Asani und Lynn Disch sprechen mit der Frau Landammann über ihre Ziele und vor allem über die Coronapandemie.
Zehn Jugendliche befragen für die «Glarner Nachrichten» die Regierungsrätin und die vier Regierungsräte vor den Wahlen von Mitte Februar.
von Daniel Fischli
Am 13. Februar findet die Gesamterneuerungswahl der Glarner Regierung statt. Die Wahl verspricht wenig Spannung, treten doch die fünf Bisherigen wieder an und sie werden von niemandem herausgefordert. Spannender ist die Ausgangslage für die Wahl der Gemeinderäte, die am selben Tag stattfindet. In Glarus Nord ist das Gemeindepräsidium umstritten und in den beiden andern Gemeinden treten für die Gemeinderäte mehr Kandidatinnen und Kandidaten an, als Sitze zu vergeben sind.
Wie in jedem Wahljahr haben die «Glarner Nachrichten» die Kandidatin und die vier Kandidaten für den Regierungsrat zu einem Interview getroffen. Weil auf der Seite der Interviewten in diesem Jahr aber keine neuen Gesichter auftauchen, wollte die Redaktion für Abwechslung auf der Seite der Interviewerinnen und Interviewer sorgen. Sie hat dafür in den Glarner Berufsschulen und in der Kantonsschule Jugendliche gesucht und gefunden, die sich bereit erklärt haben, die fünf Interviews in Zweierteams zu führen.
Corona brennt unter den Nägeln
Den Auftakt zur Serie macht heute das Interview der beiden KV-Lernenden Alina Asani und Lynn Disch mit Frau Landammann Marianne Lienhard. Die Redaktion hat den Jugendlichen keine Vorgaben gemacht und ihnen freie Hand gelassen zu fragen, was ihnen unter den Nägeln brennt. Und so ist es wenig verwunderlich, dass sich das Interview mit der Vorsteherin des Departements Volkswirtschaft und Inneres zwar auch um Glarner Wirtschaft dreht, vor allem aber um die Coronapandemie.
Marianne Lienhard sagt im Interview, sie vertraue der Impfung gegen Corona. Und sie meint: «In der Vergangenheit konnten viele Krankheiten mit Impfungen eingedämmt werden. Deshalb bin ich überzeugt, dass es auch mit der Corona-Impfung gelingen wird.» Lienhard kritisiert aber die 2-G-plus-Regel, wonach etwa in Clubs nicht nur ein 2-G-Zertifikat, sondern auch noch ein negatives Testresultat vorgewiesen werden muss. Damit bestrafe man die Jugendlichen, die etwas erleben wollten, so Lienhard. Und die Jungen würden sich dann privat treffen und womöglich gar keine Schutzmassnahmen einhalten.
Umstrittenes Gemeindepräsidium
Zur Wahl der drei Gemeindepräsidenten (Kandidatinnen sind keine bekannt) haben Redaktorinnen und Redaktoren der «Glarner Nachrichten» ebenfalls Interviews geführt. Als Erstes erscheint am Samstag das Streitgespräch zwischen dem Gemeindepräsidenten von Glarus Nord, Thomas Kistler (SP), und seinem Herausforderer Fritz Staub (SVP). Und schliesslich wird kurz vor den Wahlen eine Übersicht mit allen Kandidatinnen und Kandidaten erscheinen.
Frau Lienhard, Sie haben in einem Interview vor ihrer erstmaligen Wahl in den Regierungsrat gesagt, Ihre Ziele seien ein guter Umgang mit den Steuergeldern und gesunde Kantonsfinanzen. Sind Sie diesen Zielen näher gekommen?
Marianne Lienhard: Es sind diese Ziele, die wir im Kanton Glarus ständig verfolgen. Der Kanton geht haushälterisch mit dem Geld um. Das heisst aber nicht, dass wir sparen, sondern dass wir das Geld am richtigen Ort einsetzen. Denn wenn das Geld am richtigen Ort platziert ist, erzielt es auch die erwünschte Wirkung. Ein Beispiel: In der Sozialhilfe ist es wichtig, dass die Klienten zielorientiert betreut werden, weil sie dann den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt eher schaffen. Sie sind dann wieder finanziell unabhängig und die Unterstützungsleistung durch den Kanton kann vermindert werden.
Sie sind also Ihren Zielen näher gekommen?
Ja, ich bin meinen Zielen näher gekommen. Man soll immer Ziele haben! Sie haben sicher auch Ziele, zum Beispiel den Lehrabschluss und ich habe übrigens auch die KV-Lehre gemacht (lacht). Sicher ein guter Einstieg ins Leben! Mindestens bei mir war es so. Zum Jahresende hatte ich mir vorgenommen, Zeit zum Ausspannen zu haben und meine Ziele zu reflektieren und neu auszurichten. Das Jahr war anstrengend und ich hatte nicht immer die Zeit, mir zu überlegen, ob ich mit meinen Zielen noch auf Kurs bin.
Sie haben also seit Corona sehr viel zu tun?
Ja, Corona hat viel Arbeit gebracht. In unserem Departement mussten etwa die Härtefallgelder bereitgestellt und die Kurzarbeitsgelder ausbezahlt werden. Und auf der Stufe Regierungsrat wurden die Covid-19-Verordnungen mehrmals angepasst. Die Zeit war sehr intensiv! Bei meiner Antrittsrede als Frau Landammann habe ich gesagt, dass uns die Pandemie beschäftigen wird, aber dass wir die Legislaturziele trotzdem nicht vernachlässigen dürfen. Es könne nicht sein, dass uns das Virus ausbremse. Wenn ich jetzt zurückschaue, muss ich sagen, dass dies eine hochgesteckte Erwartung war. Es freut mich, dass wir aber trotz Corona zum Beispiel die Angebote für Menschen mit einer Behinderung weiterentwickeln konnten.
Haben Sie überhaupt noch Freizeit?
Über die Feiertage war ich Ski fahren! Ich versuche, die Sonntage freizuhalten. Das muss auch sein, man kann nicht rund um die Uhr arbeiten.
Welche Auswirkungen hat Corona auf die Wirtschaft gehabt?
Über die Feiertage war ich Ski fahren! Ich versuche, die Sonntage freizuhalten. Das muss auch sein, man kann nicht rund um die Uhr arbeiten.
Welche Auswirkungen hat Corona auf die Wirtschaft gehabt?
Als im Frühling 2020 die Pandemie ausbrach, ist man erschrocken, weil alles stillgestanden ist. Nicht nur bei uns, sondern auf der ganzen Welt. Man hat sich gefragt, welche Auswirkungen es haben wird, wenn aus China nicht mehr geliefert wird und hier deshalb nicht mehr produziert werden kann. Man wusste nicht, wie lange der Einbruch dauern wird und wie rasch sich die Wirtschaft erholen wird. Was wir in diesem Sommer aber feststellen konnten, ist, dass sich die Wirtschaft – auch im Kanton Glarus – recht gut erholt hat. Man kann das zum Beispiel an den Arbeitslosenzahlen ablesen, bei denen wir praktisch wieder auf dem Vor-Corona-Niveau sind. Ich werte dies als Erfolg der liberalen Wirtschaftspolitik. Unsere Wirtschaft ist widerstandsfähig und kann sich einer herausfordernden Situation anpassen. Natürlich gab es Betriebe, die gelitten haben. Etwa diejenigen, die vorübergehend schliessen mussten. Diese Betriebe konnten wir mit den Härtefallgeldern unterstützen und damit ihren Schaden lindern.
Gibt es wegen Corona mehr Waisenkinder?
Weltweit sieht es wahrscheinlich anders aus, aber im Kanton Glarus wohl nicht. Wir haben zwar eine Übersterblichkeit auch im Kanton Glarus, aber sie betrifft ältere Leute. Jüngere Leute sterben an Corona nicht häufiger als an anderen Krankheiten, was das Risiko für Minderjährige nicht erhöht, einen Elternteil zu verlieren.
Und hat Corona Auswirkungen auf das Asylwesen gehabt?
Ja, etwa vor einem Jahr sind die Menschen auf der Balkanroute nicht mehr weitergekommen, weil die Grenzen geschlossen worden sind. Dadurch kamen bedeutend weniger Asylsuchende in die Schweiz. Neben Corona spielt im Flüchtlingsbereich aber die geopolitische Lage eine starke Rolle. Mehrere Millionen Menschen sind auf der ganzen Welt auf der Flucht.
Gibt es im Kanton genügend Betten für die Obdachlosen?
Nun, in der Schweiz muss ja glücklicherweise niemand auf der Strasse leben. Und ja, wir verfügen über genügend Notfallplätze.
Wie erleben Sie persönlich Corona?
Nicht anders als alle Glarnerinnen und Glarner. Ich fühle mich eingeschränkt. Das ist der Punkt, der mir persönlich Mühe macht: Man kann sich weniger in der Gesellschaft bewegen – vor allem am Anfang habe ich das stark gespürt. Denn Politik mache ich nicht hier in meinem Büro, sondern draussen bei den Leuten.
Was hilft Ihnen in dieser schwierigen Zeit?
Was mir hilft, ist, mir ein ruhiges Wochenende zu Hause zu gönnen, etwas Feines zu kochen und auszuspannen. Oder ich gehe spazieren, wandern oder im Winter Ski fahren, um an der frischen Luft zu sein.
Was halten Sie von der Impfung? Denken Sie, dass sie wirkt?
Wir mussten ja auf die Impfung sehr lange warten. Zuerst hat man gedacht, dass sie Corona ganz verdrängen wird, und jetzt weiss man, dass das nicht so ist. Die Impfung ist aber im Moment das einzige Mittel, das wir gegen das Virus haben, um die Pandemie einigermassen im Griff zu haben. Mindestens schützt sie erwiesenermassen gegen schwere Verläufe. In den Spitalbetten sind zu einem grossen Teil und auf den Intensivstationen praktisch ausschliesslich Ungeimpfte. Und diese Wirkung ist entscheidend, denn wir stehen vor der Herausforderung, dass das Gesundheitssystem die Situation zu bewältigen vermag.
Sie vertrauen also der Impfung?
Ja, ich vertraue der Impfung. Die weltweite Forschung ist auf einem sehr hohen Niveau, deshalb kann man der Medizin vertrauen und auch der Impfung. In der Vergangenheit konnten viele Krankheiten mit Impfungen eingedämmt werden. Deshalb bin ich überzeugt, dass es auch mit der Coronaimpfung gelingen wird.
Und Sie haben nie Zweifel, ob es nicht doch Langzeitfolgen geben könnte?
Es gibt in der Medizin nie eine hundertprozentige Sicherheit. Und so ist es auch mit der Impfung. Es wird Nebenwirkungen geben. Möglicherweise für einzelne Personen auch schwerwiegende. Aber wir müssen das in Beziehung setzen zum Nutzen der Impfung.
In den Clubs gilt jetzt 2G plus. Sie sagen aber, Corona sei für die meisten Jungen nicht schlimm.
2G plus finde ich wirklich übertrieben. 2G ist ja schon sehr einschränkend. Wir haben in der Schweiz keine Null-Covid-19-Strategie. Es kann sein, dass sich in einem Club bei 2G noch ein Virusträger befindet. Diesen mit einem Test, auch noch herauszufiltern, ist übertrieben. Für die jungen Leute ist die Pandemie wirklich sehr anspruchsvoll und wenn ich heute jung wäre, würde ich bestimmt leiden. Man will etwas erleben und wird ausgebremst. Das finde ich nicht gut. Und man weiss doch, dass sich die Jungen anderswo treffen, wo dann gar keine Schutzmassnahmen eingehalten werden.
Soll sich jeder impfen lassen oder ist es jedem selber überlassen?
Es ist jedem selber überlassen. Es gibt Leute, die sich impfen lassen, weil sie Angst vor Corona haben. Und andere machen es auch aus Solidarität, weil sie einen Beitrag zur Überwindung der Pandemie leisten wollen. Und dann gibt es diejenigen, die sich nicht impfen lassen. Bei ihnen grassiert jetzt das Virus besonders. Nun könnte man sagen, sie würden die Folgen ja selber tragen. Aber es sind im Moment einfach noch zu viele und das Gesundheitswesen läuft am Limit.
Ein Geimpfter hat gegenüber einem Ungeimpften mit einem negativen Test Vorteile. Weshalb?
Die Politik muss gewisse Regeln aufstellen, um die Pandemie einzudämmen. Diejenigen, die sich aus Solidarität haben impfen lassen, würden es nicht verstehen, wenn sie weiterhin stark eingeschränkt würden. Wenn sich die Zahlen wieder stabilisieren und das Gesundheitswesen entlastet wird, müssen aber die Regeln so schnell wie möglich aufgehoben werden.
Was wünschen Sie sich für das bessere Zusammenleben der Menschen in der Pandemie?
Ich glaube, in der Schweiz haben wir eine hohe Akzeptanz unterschiedlicher Meinungen. Das gehört zu einer Demokratie. Vor der Abstimmung über das Covid-19-Gesetz wurde kontrovers über das Impfen und die Massnahmen berichtet. Nach der deutlichen Zustimmung sind diese Diskussionen rasch abgeklungen. Es gibt sicher Familien und Freundeskreise, in denen hitzige Debatten ausgetragen werden, aber das wird vorbeigehen. Diese Diskussionen sind unvermeidbar und auch nötig, denn wir leben tatsächlich in einer Krise.
Denken Sie, dass Corona irgendwann einmal vorbei sein wird?
Ja, ich glaube, dass die Pandemie vorbeigeht. Corona aber wird bleiben. Je mehr die Gesellschaft immunisiert ist, desto seltener wird es zu Ansteckungen kommen. Möglicherweise hilft uns dabei die Wucht der Omikronvariante. Wie lange es bis dorthin noch dauert, dazu möchte ich aber keine Prognose machen müssen.
Aber Sie sind zuversichtlich?
Ja, ich bin zuversichtlich, die Gesellschaft wird die Pandemie auch als Chance nutzen. Manche Veränderungen werden bleiben, etwa das Homeoffice. In Zukunft werden Arbeitnehmende mehr Flexibilität fordern, weil sie an einzelnen Tagen von zu Hause aus arbeiten möchten, um so die Familie besser umsorgen zu können oder um längere Arbeitswege zu vermeiden.
Redaktion: Daniel Fischli
Marianne Lienhard
Frau Landammann